
In der NZZ von heute (15.6.2017 – NZZ Paywall) schreibt Thomas Knecht – ehemaliger McKinsey Chef Schweiz, Venture.ch Gründer und Leiter der Knecht Holding AG (Interview Tagesanzeiger):
In den 1990er Jahren war die Schweiz eine Startup-Wüste…..Ist also aus der Wüste ein fruchtbares Startup-Land geworden? Tatsächlich ist heute mehr Seed-Money vorhanden in der Schweiz. Das heisst, eine junge Firma, die eine vielversprechende, überzeugende Idee präsentiert, erhält relativ leicht einen Betrag bis etwa 500 000 Franken. Und auch für eine Early-Stage-Finanzierung, bis etwa 2 Millionen Franken, finden sich Investoren. Doch dann wird es schwieriger, das Wagniskapital wird knapper. Die zwei grössten Finanzierungsrunden im letzten Jahr, 104 Millionen für ADC Therapeutics und 100 Millionen für Mindmaze, einen «venture»-Alumnus, wurden von ausländischen Private Equities, Corporate Investors und Family-Offices getragen. Das ist erfreulich, aber damit Startups längerfristig in der Schweiz bleiben, sind grosse inländische Risikokapitalgeber zwingen….
Israel hat ein knapp halb so grosses Bruttoinlandprodukt wie die Schweiz, aber viele Startup-Investoren. 2016 gaben diese über 4 Milliarden Franken Wagniskapital aus (davon über 60 Prozent in Late Stage). Bei uns waren es total 909 Millionen Franken, also nur gerade knapp ein Viertel.
Da ist sie wieder – die Forderung nach Late Stage Finanzierung und das Argument, bei Early Stage ist alles in Ordnung und eine junge Firma, die vielversprechende, überzeugende Idee präsentiert es sehr leicht hat heute. Dabei ist die Äusserung höchst fragwürdig:
- In Israel, dessen BSP nur halb so gross ist wie die Schweiz wird über doppelt so viel in Early Stage investiert (CH:909-104-100=705; Israel: 4000×0.4=1600) als in der Schweiz also gemessen an der Wirtschaftskraft 4x mehr
- Startup Förderung, Angels, VC, Mentoren sind in der Schweiz nicht transparent organisiert
- Es gibt sicher eine Menge an Startups, Jungunternehmen und KMUs die mit richtiger Förderung schnell wachsen können, jedoch keine Förderung erhalten, da sie nicht den intransparenten Kriterien entsprechen
- Ich aus eigener Erfahrung und Gesprächen mit Kollegen weiss, wie schwierig es in der Schweiz ist, neu zu gründen und die Kunden zu gewinnen – auch wenn die Idee gut ist.
Ich bleibe bei meiner Meinung – in der Schweiz könnte man noch so viel für die Förderung von Startups tun, beispielsweise:
- Eine Schweizer Startup Konferenz, wie sie derzeit in Paris stattfindet (Viva Technology)
- Eine Self Service Website, in Angels, Inkubatoren, Wettbewerbe, etc. gelistet werden
- Networking Events für angehende Gründer, Speed Dating für Co-Founders
- Corporate Inkubatoren fördern, von denen Mittelständigsche Unternehmen profitieren können
Es bleibt nach dem lesen des Artikels ein negatives Gefühl, dass halt nur die richtig guten Unternehmer zur Förderung zugelassen werden können, eine neue Form von «Du hast dich nicht bewiesen, auf deine Meinung kommt es nicht an, ich arbeite nicht mit dir» und eine Form von Investor FOMO.
Auf die Gefahr, dass ich alles in einen Topf werfe – die Forderung nach einer Spätfinanzierung tönt für mich gleich elitär und von oben herab wie Theresa Mays «Brexit is Brexit» mit folgenden Abstimmungsdebakel (Zeit), die Notenbanker, die die hohen Kosten der Niedrigzinspolitik ignorieren (NZZ), oder der Wirtschaftsjournalist Michael Schäfer der NZZ, welcher sich in Unternehmertum als Spiel für Erwachsene über die hohe Kadenz der Mitteilungen von Fintech-Firmen enerviert – die er nicht publizieren kann, da kein Erfolg wie bei grossen Unternehmen vorliegt. Alle drei Ereignisse zeigen von Oben herab den Untertanen, wie die Welt zu verstehen ist, ohne das logisch oder empirisch zu untermauern.
Unternehmertum bleibt hart – 9 von 10 Unternehmen funktionieren nicht. Gibt es genügend erfolgreiche Jungunternehmen, dann werden auch genügend Spätfinanzierungen folgen, da genügend «Volumen» da ist. Hier sollte die Startup Förderung ansetzen, indem Startups für ein breiteres Publikum geöffnet wird und nicht nur für Eliten. Deshalb, ist die von Knecht beschriebene Startup Oase Schweiz nicht eine Fata Morgana?
Konsequenz: Es sollte unabhängig Studien geben, die losgelöst von institutionellen oder privaten Interessen sind. Diese Studien sollen die Stärken und Schwächen benennen und Vorschlagen, wie das Startup Umfeld verbessert werden kann.
[…] Die Startup Oase ist eine Fata Morgana. In einer disruptiven Wirtschaft darf man sich nicht zurücklehnen und die Lorbeeren geniessen. […]